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Too cool for school

Updated: Jan 7, 2021


Lis: Hallo Paola, vor ein paar Wochen hast du deinen neuen Lebensabschnitt als Waldorf-Lehrerin in Berlin begonnen. Wie geht es dir damit? Was beschäftigt dich nach den ersten 2 Wochen?


Paola: Hallo Lisa. Mir bereitet meine neuen Aufgabe sehr viel Freude, auch wenn ich am Ende eines Schultages ziemlich fertig bin.Ich bin erstaunt über die große Vielfalt der Kinder in meiner Klasse und über die bereits starke Trennung zwischen Jungs und Mädchen. Gleich zu Schulbeginn wurden kleine Banden geschlossen und tatsächlich Jungs mit Jungs und Mädchen mit Mädchen.


Lis: Aber jetzt machst du selber die Trennung zwischen Mädchen und Jungs, muss man das nicht differenzieren?


Paola: Ja, da hast du vollkommen recht. Allerdings ist es so offensichtlich, dass es schwierig ist es nicht so zu bezeichnen. Wenn man nur oberflächlich die Klasse beobachtet,werden stereotypische Bilder ganz stark deutlich. Jungs spielen Fußball, Mädchen mit Seilen und HolaHoops. Nicht alle, es gibt Ausnahmen aber der Großteil schon. In der Klasse oder auf dem Hof rufen sie sich auch oft gegenseitig zu, dass Jungs doof sind oder eben die Mädchen. Mädchen beschweren sich oft darüber, dass die Jungs keine Grenzen einhalten, nicht bei „Stopp“ aufhören etc. Ich bin sehr erstaunt darüber wie schnell diese Trennung stattfindet und gleichzeitig frage ich mich woher das kommt. Ist das alles Erziehung? Ist das unsere Gesellschaft?


Lis: Das ist interessant. In mir entstehen, wenn ich dir so zuhöre gemischte Gefühle. Besonders bei den Spielinteressen. Erst letztens habe ich mich mit einem Freund unterhalten, der aus seiner Kindheit erzählte, dass er selbst nie ein Interesse an Fussball hatte und daher meistens mit den Mädchen abgehangen hat. Seine Lehrerin hat daraufhin bei seiner Mutter angerufen und dieser mitgeteilt, dass es „ein Problem mit ihm gebe“, sie glaube er sei schwul. Ohne nun auf diese (meiner Meinung nach) absolute Grenzüberschreitung von dieser Lehrerin einzugehen, ist es abgefahren, wie schnell Kinder in eine Schublade gesteckt werden, obwohl sie noch so klein sind und ihre Sexulität erst noch entwickeln. Er hatte das große Glück eine Mutter zu haben, die sich davon nicht verunsichern ließ. Ich kann mir vorstellen, dass andere Personen sich dadurch stark verunsichern lassen und diese Situation wirklich als „Problem“ auffassen könnten.


Paola: Ja, ich kann deine gemischten Gefühle sehr gut nachvollziehen. Wenn ich diese Kategorisierung vornehme, dann mache ich ja absolut mit bei der Verfestigung von geschlechtsspezifischen Stereotypen. Interessanterweise spielen die Kinder an Tagen, wo ich Fußballspielen verbiete, viel mehr miteinander. Vielleicht sollte ich es einfach mal ausprobieren morgens in die Schule zu gehen mit einem ganz anderen Bewusstsein. Keinen Fokus auf die Trennung legen, sondern viel mehr das Gemeinsame beobachten. Sicherlich entstehen dabei neue Beobachtungen und ich werde die Kinder anders wahrnehmen. Danke für das Teilen der Geschichte deines Freundes. Ich denke, dass ich als Lehrerin eine enorme Aufgabe habe die Kinder nicht zu sehr in eine Richtung zu drängen, sondern sie selbst ihren Weg gehen zu lassen. Ich habe zum Beispiel ein Kind in der Klasse, das genderneutral ist. Heißt das überhaupt so? Ein Kind, welches keinem Geschlecht eindeutig zuzuordnen ist. Ich finde es sehr spannend zu sehen wie die Kinder damit umgehen, wie einfach und ehrlich. Im Vergleich auch zu mir als Lehrerin. Das Kind hat einen gesellschaftlich weiblich eingeordneten Namen (beide lachen), diese Bezeichnung hört sich ziemlich schräg an. Das äußerliche Erscheinungsbild würde man stereotypisch wahrscheinlich eher einem Jungen zuordnen. Jedenfalls wird dieses Kind meistens mit einem männlichen Pronomen angesprochen. Ein Kind hat heute gefragt: „Bist du Mädchen oder Junge?“


Lis: Und wie hat das Kind auf diese Frage geantwortet? Und mit welchem Pronomen sprichst du es an?


Paola: Das Kind hat gesagt: „Mädchen. Ich hatte früher lange blonde Haare und blaue Augen“ Ich versuche Pronomen zu vermeiden. Etwas absurd,ich weiß. Bin noch etwas unsicher. Wie würdest du handeln?


Lis: Ich glaube ich würde die Kinder als Vorbild sehen: kein großes Ding draus machen, sondern einfach nachfragen, wie das Kind angesprochen werden möchte. Jetzt, wo wir so darüber sprechen, merke ich auch, wie automatisch Pronomen oder auch die Trennung von Jungen und Mädchen gebraucht wird. Ich denke unser aller Aufgabe ist es, in diesem Thema offen und interessiert zu sein. Nachzufragen. Denn für uns, die wir uns als cis Frauen einordnen, ist es schwierig sich in einen Menschen einzufühlen, bei dem/der diese Einordnung nicht so automatisch erfolgt.


Paola: Da hast du vollkommen recht! Danke für dein Input. Ich werde es gleich morgen ansprechen, wenn es sich ergibt.


Paola und Lisa



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