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Interview mit Anke Trebig

Updated: Jan 7, 2021



Anke und ich sind seit einigen Jahren befreundet. Sie ist eine sportliche, lebensfrohe, stets motivierte junge Frau Mitte zwanzig. Mit ihr kann man viel lachen und stundenlang quatschen. Also eigentlich alles ganz normal! Aber Anke ist mit einer bzw. zwei chronischen Erkrankungen auf die Welt gekommen. Sie hat einen Herzfehler und Pulmonale Hypertonie (Lungenhochdruck). Natürlich haben wir uns mal über ihre Erkrankungen unterhalten, aber so richtig wahrgenommen habe ich ihre Krankheit kaum. Das änderte sich schlagartig im letzten März mit Corona. Denn Anke gehört mit ihren Erkrankungen zur Risikogruppe. Seit März lebt sie also in Quarantäne zu Hause. Ihr ganzes Leben steht Kopf. Erst zu diesem Zeitpunkt sind auch mir als Freundin ihre Erkrankungen so richtig bewusst geworden. Die letzten Monate hat Anke genutzt, um sich einen Traum zu erfüllen: sie hat ihre Autobiografie geschrieben und veröffentlicht. Herzfehler im Gepäck heißt das gute Stück. Auf rund 170 Seiten erzählt sie von ihrem Lebensweg. Von Krankenhausaufenthalten, Operationen am offenen Herzen, dem Traum vom Balletttanzen, dem Bonusheft für Scheiße und vielem mehr.


Lena: Liebe Anke, seit diesem März musst du also zu Hause in Quarantäne bleiben. Wie ist es dir in diesen Monaten ergangen?


Anke: Zu Beginn war es eine sehr schwere Situation, weil mir dann selbst erst bewusst wurde wie krank ich eigentlich wirklich bin. Nach ein paar Wochen habe ich mich an die Situation gewöhnt und mir einen neuen Alltag geschaffen, um auch was Sinnvolles zu tun zu haben und mich ein bisschen auszupowern. Leicht ist diese Situation aber nicht immer. Ich habe auch viel Gegenwind bekommen. Irgendwie konnte ich es den meisten anderen Menschen nie recht machen. Wenn ich mit meinem E-Bike unterwegs war wurde geredet, wenn ich mich zu Hause auf die Terrasse gelegt habe wurde geredet. Am Anfang hatte ich damit ganz schön zu knabbern. Einige Nächte hat mir das Gerede, Vorurteile und Enttäuschungen von Menschen, von denen ich das nicht erwartet hätte den Schlaf geraubt. Mittlerweile bin ich gelassener. Meiner Gesundheit hat diese Phase geschadet und ob meine Situation so beneidenswert ist? Das sollte sich vielleicht jeder nochmal fragen. Meine Freiheit ist sehr eingeschränkt. Ich kann nicht selbst einkaufen, nicht in ein Café oder ins Kino gehen. Was mir geblieben ist, ist mein zu Hause, die Natur und das Krankenhaus.


Lena: In deinem Buch beschreibst du in den ersten Kapiteln deinen schweren Kampf ins Leben. Deine ersten Lebensjahre sind geprägt von langen Operationen, die dir dein Leben retteten. Seitdem hast du auf dem Brustkorb eine große Narbe. Für dich ist sie der größte Gewinn im Kampf um dein Leben. Warum?


Anke: Ohne diese Narbe wäre ich heute nicht mehr am Leben. Sie ist meine Lebensrettung. Ohne die Operationen am offenen Herzen, wäre ich bereits im Kindesalter verstorben. Die Narbe erinnert mich an viele schlechte und harte Zeiten, aber eben auch an das was ich dadurch gewonnen habe: Lebensqualität und ein längeres Leben.


Lena: Mit 14 Jahren musstest du erneut operiert werden, danach musstest du dich zurück in den Alltag kämpfen. Du beschreibst, dass drei Schritte sich anfühlten wie ein Marathon. Aber dennoch hast du nach nur vier Monaten wieder als Tanzmariechen alle Tänze beim Karneval auf der Bühne mitgetanzt. Wie hast du das geschafft?


Anke: Mit viel Ehrgeiz und Disziplin. Ich wollte mich zurück ins Leben kämpfen und wieder das tun, was mir Spaß macht. Das Tanzen gehört schon immer zu meinem Leben dazu. Manchmal war es ein harter Weg, aber ich bin am Ball geblieben.


Lena: Ich war geschockt, als ich in deinem Buch von den bürokratischen Hürden gelesen habe, denen du alle paar Jahre ausgesetzt bist. Ein chronisch kranker Mensch muss immer wieder beim Versorgungsamt belegen, dass er oder sie immer noch chronisch krank ist – ein Widerspruch in sich. Kannst du kurz davon berichten?


Anke: Es ist wie ein Schlag ins Gesicht, eine riesen Demütigung. Man sucht sich nicht aus wie man auf die Welt kommt und ganz sicher freut sich auch niemand darüber mit einer Krankheit geboren zu werden. Der ganze Prozess ist einfach kränkend, demotivierend, fördert Depressionen und mindert das Selbstbewusstsein (was bei vielen chronisch kranken Menschen ohnehin nicht groß vorhanden ist) extrem. Das man sich dafür rechtfertigen muss, wie man auf die Welt kam ist für mich ein Unding. Wir leben im Jahr 2020. Ein Jahr in dem man offen und tolerant sein sollte und vor allem Mitgefühl zeigen sollte. Zusammenhalt statt gegeneinander.


Lena: Vieles, was du in deinem Buch beschreibst geht mir unglaublich nah und ich muss gestehen, ich brauche immer wieder Pausen um das Gelesene zu verdauen – obwohl ich manches ja sowieso schon weiß. Aber wer dich kennt weiß, du bist unglaublich stark und hast einen so positiven Blick aufs Leben. Dein Lebensmotto lautet „Das Leben ist immer lebenswert!“ Woher nimmst du diese Kraft und deine Positivität?


Anke: Man hat zwei Optionen, wenn man weiß, dass man eine (oder wie ich gleich zwei) lebensverkürzende Krankheiten mit sich rumträgt. Man kann sich selbst bemitleiden, die Tage im Bett verbringen und das Leben an sich vorbeiziehen lassen oder man nutzt die Zeit um die Welt zu sehen, Abenteuer zu erleben und sich Träume zu erfüllen. Am Ende meines Lebens möchte ich nicht dasitzen und denken „Ach hättest du doch mal…“ Ich möchte mir sagen können, dass ich trotz allem so gut es geht gelebt habe und nichts verpasst habe.


Das Interview mit Anke habe ich schriftlich geführt. Das ist momentan einfach sicherer. Wer aber mehr von Anke erfahren will, kann einfach mal auf ihrem Instagram-Account @ankes_herz vorbeischauen.

Dort teilt sie ihren Alltag mit uns, man erfährt noch mehr über ihre Erkrankung und man kann ihr Buch kaufen. (von dem Buch wird ein Anteil an die Deutsche Kinderherzstiftung e.V. und den BVHK e.V. gespendet)

Lena

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