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Passierschein A38

Was haben Asterix und Obelix mit Papierkram zu tun?


In dem Film Asterix erobert Rom stellt Cäsar Asterix und Obelix zwölf Aufgaben. Wenn sie diese bewältigen können, gilt ihre Göttlichkeit als bewiesen. Zu den Aufgaben gehören das Durchschreiten der Höhle der Bestie, aus der noch niemand zurückgekehrt ist, die Überquerung eines Krokodilflusses auf einem unsichtbaren Seil oder dem hypnotischen Blick des ägyptischen Zauberers Iris zu widerstehen.

Außerdem sollen sie in dem 'Haus das Verrückte macht' einen Passierschein A38 holen, doch sie werden von den unfreundlichen Mitarbeiter*innen ständig von A nach B geschickt, da sich niemand für die Ausstellung des Scheins zuständig fühlt. Am Ende sind die Beiden völlig erschöpft, doch bevor sie den Verstand verlieren, lösen sie das Problem durch eine List.


Oft muss ich an dieses Video denken, wenn ich mit Ämtern zu tun habe. Die Zustände sind teilweise schon ohne Übertreibung eine Satire. Nur leider ist das nicht immer witzig, denn es führt auch zu Ungerechtigkeit. Bei meiner Arbeit bekam ich einmal einen Fall, wo ein 17 jähriger nach dem Tod seiner Mutter ein halbes Jahr keine erziehungsberechtigte Person hatte, weil sein Vater das Sorgerecht nicht hatte und sich die Jugendämter aus Bergheim und Köln nicht einigen konnten, wer nun zuständig war.

Aber auch das Jobcenter ist ein gutes Beispiel für allerlei Absurditäten. Wenn man Arbeitslosengeld II beantragt hat, bekommt man einen Bescheid, der sagt, ob und wie viel Geld einem zu steht. Es liegt in der Eigenverantwortung, diesen Bescheid auf seine Richtigkeit zu prüfen. Wer bereits so einen Bescheid in der Hand hatte weiß, dass dies ohne einschlägige Kenntnisse der Bürokratiesprache kaum machbar ist. Es kann aber passieren, dass das Jobcenter irgendwann selbst erkennt, dass es aufgrund eines Fehlers im letzten Jahr zu viel Geld überwiesen hat. Dieser Betrag muss dann zurück gezahlt werden. Oft haben die Leute dieses Geld aber nicht mehr, weil ihnen ja selbst nicht klar war, dass sie zu viel bekommen haben. Sie müssen sich dann aber nochmal an eine andere Stelle wenden, um dort zu vereinbaren, dass sie das Geld in Raten zurück zahlen möchten. Ungerechtigkeit kann deshalb entstehen, weil die Entscheidungen, die die Mitarbeiter*innen im Jobcenter treffen in vielen Fällen „Ermessenssache“ sind, das heißt, es gibt einen gewissen Entscheidungsspielraum. Natürlich haben hier Menschen, die sich gut ausdrücken können, ihre Rechte kennen und sich auch trauen, diese einzufordern einen deutlichen Vorteil. Zwar werden die Kund*innen beim Jobcenter nicht wie Asterix und Obelix durch tausend Gänge zu verschiedenen Schaltern gejagt, aber am Ende sind sie durch die teilweise unlogischen Anforderungen zermürbt. Sie verlieren vielleicht nicht ihren Verstand, aber nach meiner Erfahrung oft die Motivation. Zurzeit sind durch die Corona Pandemie immerhin ein paar Dinge vereinfacht worden. Auf die Vermögensprüfung wird momentan bei Neuanträgen komplett verzichtet. Das heißt Leute, die einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen, müssen nicht ihre komplette finanzielle Lage plus Kontoauszüge offen legen. Außerdem kann man viele Dinge jetzt auch digital erledigen. Das ist nur schwierig, wenn man keinen Computer zu Hause hat. Zurzeit arbeite ich in einem Projekt, welches drei Jahre lang läuft und als Ziel hat, Langzeitarbeitslosen wieder auf den Arbeitsmarkt zu verhelfen. Das Projekt ist in insgesamt drei Phasen aufgebaut. In der letzten Phase sollen die Teilnehmer*innen eine schulische Weiterbildung machen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Allerdings gibt es kaum Weiterbildungen in Teilzeit. 8 von 10 der Teilnehmer*innen sind alleinerziehend oder zumindest allein für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich, auch wenn sie mit ihrem Partner zusammen leben. Wie sollen sie da von 8-18 Uhr einen Kurs besuchen? Für das Jobcenter sind allerdings die Zahlen vorrangig - werden nicht genug Teilnehmer*innen in eine Arbeit vermittelt, gilt das Projekt als nicht erfolgreich. Es kann sein, dass das Projekt dann im nächsten Jahr nicht weiter finanziert wird. Viele Menschen, die Arbeitslosengeld beziehen, brauchen daher regelmäßig Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen, 'übersetzen' von Briefen usw. Dies verschafft ihnen kein Selbstvertrauen und Motivation, sondern macht sie noch weiter abhängig von anderen. Es braucht also nicht nur eine interkulturelle Öffnung der Behörden. Es braucht auch ein Verständnis der Lebensrealitäten der Menschen oder noch besser- und hiermit schlage ich kunstvoll die Brücke zu meinem ersten GLENTAzin Text: wir brauchen ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ich habe mal gelesen, dass es günstiger wäre einfach allen Studierenden Bafög auszubezahlen anstatt jeden Antrag zu prüfen. (Leider weiß ich die Quelle nicht mehr, daher ist das nur eine unqualifizierte Erinnerung.) Anstatt einem 'Haus das Verrückte macht' könnte man doch dann Kompetenzzentren machen, wo man ohne Finanzdruck bei der Arbeitsplatzsuche unterstützt wird.



Sara



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