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Justitia - who dis?

Die Göttin der Gerechtigkeit. Wer ist sie eigentlich und ist sie heute noch zeitgemäß?


Unter Augustus im 13.Jhd benennt die römische Mythologie Justitia lediglich an einer Stelle. So verlässt sie im Mythos von den Weltaltern als letzte der Himmlischen die von Verbrechen erfüllte Erde und kehrt in ihre überirdische Heimat als Sternbild der Jungfrau zurück. Im Griechischen gilt sie als „Dikaiosyne“ und wird zu den Kardinaltugenden gezählt.


Ihre kennzeichnenden Attribute in der Antike sind die Waage, mit deren Hilfe „jedem das Seine“ zugemessen wird und das Füllhorn, das den zu verteilenden Reichtum spendet. Die Waage wurde stets in waagerechter Form dargestellt, als Sinnbild für die Gleichbehandlung und dass niemand bevorzugt wird.

Im Mittelalter und in der Neuzeit änderte sich das Bild der Justitia. Sie wird nun als Jungfrau präsentiert, die in ihrer rechten Hand das Richtschwert und in ihrer linken Hand die Waage hält. Zudem wird sie meist blind, bzw. einäugig dargestellt – später gar mit Augenbinde, welches ein Symbol für ihre Unparteilichkeit (Richterin ohne Ansehen der Person) sein soll. Die Waage dient der sorgfältigen Abwägung der Sachlage und das Richtschwert symbolisiert die notwendige Härte der Durchsetzung. Entsprechend des strafrechtlichen Grundsatzes „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) steht der Waagbalken im Gegensatz zur Antike nicht mehr waagerecht, sondern schräg und sorgt (auch im Zivilprozess) für einen gerechten Interessenausgleich. In älteren Darstellungen trägt sie anstelle des Schwertes einen Ölzweig, welcher den Frieden symbolisiert und den Rechtsfrieden wahren soll. Und Justitia ist eine (teilweise entblößt dargestellte) Frau. In vielen Kulturen wurden Muttergottheiten angebetet und Gerechtigkeit galt als natürlicher Zustand und wurde somit als weiblich angesehen.


Ihre Attribute haben sich in der Geschichte folglich das ein oder andere Mal geändert. Ist die Justitia in ihrer heutigen Form überhaupt noch zeitgemäß?


Sie ist eine Frau, eine weiße Frau, die teilweise nackt dargestellt wird und ihre Augen sind verbunden. Wie wirken diese Darstellungen auf uns? Welche Rolle spielt ihre dargestellte Nacktheit und Jungfräulichkeit, die ursprünglich und hauptsächlich von männlichen Künstlern dargestellt wurde? Ist das Verbinden ihrer Augen nicht Ausdruck männlicher Dominanz über das weibliche, sexualisierte Geschlecht und dient dies nicht der Domestizierung der Frau? Gelegentlich wird zu ihrer grundsätzlich heidnischen Figur eine Schlange zu ihren Füßen dargestellt. Sind religiöse und biblische Bezüge im Rahmen der Religionsfreiheit noch zeitgemäß und innerhalb unserer neutralen Gerichtsbarkeit akzeptabel?

Warum trägt sie ein Schwert? Ein Symbol, welches ursprünglich der Männlichkeit vorbehalten war. Ist dies eine Angleichung an männliches Verhalten, um Akzeptanz und Anerkennung zu erlangen? Oder ist es eine Art Befreiung typischer Rollenerwartungen? Die Durchsetzbarkeit des Rechts ist essenziell, dennoch tue ich mir mit dem Symbol des Schwertes nicht leicht. Ohne nötige Durchsetzung kann kein funktionierendes Rechtssystem bestehen. Doch dieses Richtschwert ist auch ein Zeichen für (physische) Gewalt, welches im Mittelalter bis zur Neuzeit zur Enthauptung von Verurteilten galt. Nach dem heutigen Verständnis gilt es als Richtwerkzeug. Ich sehe es ähnlich wie Judith Butler, dass gewisse Gewaltpotentiale ein Merkmal für sämtliche Interdependenzbeziehungen sind und diese nicht wegzudenken sind. Jaque Derridas These lautete, dass Recht dem Menschen immer Gewalt antue, weil ein Erleben nie ganz erfasst werden kann. Das staatliche Gewaltmonopol gilt als Grundpfeiler und zivilisatorischer Fortschritt, vgl. Hobbes Leviathan. Ètienne Balibar und Walter Benjamin machen darüber hinaus auch deutlich, dass die Staats- und Behördengewalt kennzeichnet was als „gewaltsam“ gilt, und sie damit ihre eigene Gewalt stützen und gleichzeitig verbergen.

Der Gewaltbegriff ist dennoch so vielfältig, sodass ich als Symbol für die Durchsetzung des Rechts und den rechtlich gesicherten staatlichen Organisationsformen für ein Buch in der Hand Justitias plädiere – oder aber für ein Comeback des Ölzweigs. Dies scheint in meinen Augen treffender und gilt als Symbol friedvollen und gewaltlosen Miteinanders, was das telos jeder Gesellschaft sein sollte. Mehr zum Thema Macht, Herrschaft und (Staats-)Gewalt vielleicht einmal an anderer Stelle. Darüber hinaus könnte man langsam mal die Augenbinde gegen eine fesche Sonnenbrille tauschen. Die Verwirklichung des Rechts und die Wahrheitsfindung kann man nur ungenügend mit geschlossenen Augen erreichen. Eine Sonnenbrille lässt ein genaues Hinsehen zu und schützt vor reichen und machtvollen Blendern, die wissen wie man gewinnt (vgl. dazu den T. Fischer Artikel im Spiegel hier). #thuglife


Wie wollen wir Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert vertreten? Welche symbolischen Attribute hätte deine ideale Justitia?


Hörtipp mit Namen Justitia: Deutscher Juristinnenbund e.V. Podcast „Justitias Töchter“


Johanna

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