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ELTERNGELD ALLEIN REICHT NICHT

Updated: Jun 22, 2020

In Deutschland wird die Ungleichbehandlung der Geschlechter von etwa zwei Dritteln der Bevölkerung als "sehr" oder "ziemlich" verbreitet wahrgenommen. Dies zeigt am eklatantesten die Verteilung der Elternzeit. So nahmen 2015 nur etwa 35,7% der Väter das Elterngeld in Anspruch, wohingegen 95% der Frauen Elterngeld bezogen. Zwar ist die Zahl der Männer steigend, jedoch nehmen diese am häufigsten nur 2-3 Monate die Elternzeit in Anspruch. Eine recht überschaubare Zeit, mit der meist keine beruflichen Karriererisiken einhergehen. Eine längere Elternzeit passt anscheinend immer noch nicht in die Männerrolle des 21. Jahrhunderts. 


Doch hier liegt gerade der Kern des Problems der Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern. Denn besonders in der frühkindlichen Phase beginnt die Entwicklung der Geschlechtsrollenidentität. Die erste Orientierung hierfür bieten die erziehenden Personen. Daher ist es in dieser Phase entscheidend, auf die Gleichstellung zwischen Mutter und Vater zu achten und gleichzeitig die Omnipräsenz des Geschlechts in den Hintergrund zu stellen. Gerade bei der Aufteilung der Elternzeit liegt die Verantwortung auch bei den Vätern, die laut aktuellen Umfrageergebnissen zwar mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, es an der Umsetzung jedoch scheitert. Männer werden hier oft belächelt oder wagen den Schritt meistens gar nicht, für eine längere Zeit Elternzeit zu nehmen. Dies liegt vielleicht daran, dass sich nun Männer erstmals mit dem Problem auseinandersetzen müssen, mit dem sich Frauen schon jahrelang auseinandersetzen – durch längeres Fortbleiben vom Beruf ihre berufliche Karriere zu riskieren. Hier sollten Männer noch deutlich mehr Courage zeigen! Ein erster Schritt ist, die bestehenden Rollenbilder aufzuweichen. Beispielsweise sollten Emotionalität, Fürsorge, Einfühlungsvermögen - Attribute, die eher Frauen zugeschrieben werden - und Zielstrebigkeit, Ehrgeiz und Willensstärke auf der anderen Seite von allen Geschlechtern angenommen werden und diese hierfür nicht bewertet werden. Hier ist das Denkmuster noch viel zu starr in den Köpfen verankert. Außerdem sind unsere heutigen Systeme noch viel zu unflexibel und überholt. Männer stellen häufig noch die Haupteinkommensquelle der Familie. Bei der immer größer werdenden sozialen Ungleichheit wird die gerechte Aufteilung der Elternzeit in Zukunft immer schwerer umsetzbar sein. Die Industrie sollte hier eine Chance sehen, als attraktiver Arbeitgeber qualifizierte Fachkräfte zu rekrutieren und sollte sich nicht gegen flexiblere Arbeitsstrukturen wehren, sondern dies eher als Wettbewerbsvorteil ansehen. Gleichzeitig besteht hier politischer Handlungsbedarf. Größere Unternehmen müssen verstärkt in die Pflicht genommen werden. Auch dürfen Männer die Gleichstellung nicht als Bedrohung der eigenen Karriere sehen. Denn auch sie profitieren sogar wirtschaftlich von höheren Erwerbstätigkeitszahlen durch Lohnsteigerungen und einer Sicherung der Sozialsysteme.  Das Elterngeld war der erste Schritt in Richtung Gleichstellung zwischen den Geschlechtern. Jedoch wirkt es nur auf den ersten Blick als effektive Maßnahme. Schaut man genauer hin, sind es immer noch Frauen, die den Hauptteil der Erziehung in den ersten Jahren übernehmen und beruflich zurückstecken. Damit sich die Gesellschaft zu einer gerechteren entwickeln kann, müssen die starren Rollenbilder aufgelöst werden und hierfür ist noch mehr nötig und möglich als nur das Elterngeld. Das Elterngeld ist ein Anfang. Was wir brauchen sind anpassungsfähige Systeme, mehr Teilzeitmodelle, flexiblere Arbeitszeiten, eine Reduzierung des Gender Pay Gaps, mehr und qualifiziertere Betreuungsmöglichkeiten, Vaterschaftsurlaub und auch eine Frauenquote! Marina 



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