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WARUM FEMINISMUS EIN THEMA FÃœR MICH GEWORDEN IST, SEITDEM ICH MUTTER BIN

Updated: Jun 22, 2020


Es ist kurz nach neun, die Kinder liegen in ihren Betten, die eine säuselt noch Mami vor sich hin, die andere schnarcht und ich denke darüber nach, was Feminismus für mich bedeutet. Früher, das heißt so vor drei bis vier Jahren, habe ich immer gesagt, dass ich das ganze „geGendere“ nicht verstehe, dass es doch Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau geben würde, dass doch jede Frau in unseren Breitengraden die Chance hat, aus ihrem Leben zu machen, was sie will. Dieser Meinung bin ich nicht mehr. Und zwar nicht, weil mich jemand in einem Diskurs überzeugt hat, sondern weil mein Leben sich geändert hat und damit auch das Empfinden der Gerechtigkeit den Geschlechtern gegenüber.  


Das Leben als Mutter ist wunderschön. Ich kann das erste Mal sagen, dass ich in meiner Mitte bin. Das klingt vielleicht wie aus einem schlechten Film, aber es ist so. Davor herrschte eine Unruhe in mir, beziehungsweise es war schwer für mich, ein ICH zu definieren, mich wirklich zu spüren und mich wertzuschätzen und mir gut zu tun. Und genau das ist der Punkt, der mir gefehlt hat, um die Feminismus Debatte zu verstehen. Sich selbst als Frau wertzuschätzen, zu wissen, wer man ist oder sein will und was man dafür braucht, ist die Grundvoraussetzung, Feministin zu sein. Was hat sich also verändert, seitdem ich Kinder habe?

Vielleicht liegt es daran, dass man die Erfahrung macht, sich wirklich komplett einmal aufzugeben. Es geht gar nicht mehr um einen selbst, die Abläufe werden einem diktiert von dem kleinen Leben, das komplett abhängig von einem ist - in der Schwangerschaft und den ersten Lebensmonaten primär von der Mutter. Diese Erfahrung ist einzigartig und vielleicht damit vergleichbar, wonach viele suchen, wenn sie sich auf einen spirituellen Weg begeben: Seine Bedürfnisse und seinen Willen zu besiegen, um am Ende seinem ICH näher zu kommen. Und genau da stellt sich die Gerechtigkeitsfrage: Warum mache ich das gerade alles und nicht der Vater? Man kann und will teilweise nicht abgeben, denn möglich wäre es wohl schon, dass der Vater alles, außer das Gebären und Stillen übernimmt. Aber ein gewisser Hormoncocktail und die Vorstellung, dass man alles besser kann als der Partner, stehen einem oft im Weg. Und wenn das dann alles ein bisschen nachlässt, das Kind krabbeln oder laufen kann, die Brüste sich von prallen Eutern in mehr oder minder alte Form zurückziehen und man nicht mehr ein Konglomerat mit dem Winzling bildet, kommt eine sehr große Lust, sich wieder neu zu erfinden. Und an dieser Stelle habe ich gespürt: Ich bin stolz, eine Frau zu sein, das alles gemeistert zu haben und ich möchte diese Stärke weiter in meinem Leben mit mir tragen. Soweit die Theorie. Von der Umsetzung ist man dann dennoch weit entfernt. Denn man war lange draußen von allem. Nach dem ersten Kind habe ich gemerkt, dass es mir unheimlich wichtig ist, weiter zu studieren. Ich habe noch nie so eine Lust an Wissensinput verspürt. Auch ist einem die wenige freie Zeit, die man hat, heilig und man würde sie nicht einfach mehr so vertrödeln. Man stellt sich viel öfters die Frage: Was möchte ich gerne tun, was möchte ich mir gerne Gutes tun. Welche Freunde sind mir noch wichtig. Feierei und Oberflächlichkeit rücken erst mal in den Hintergrund. 


Jetzt habe ich alles ein bisschen hochgehalten und die positiven Seiten des Mutterseins hervorgehoben. Wo Licht ist, da ist auch Schatten und ich könnte eine lange Liste verfassen, welche Leichtigkeit, Spontanität und vieles mehr ich vermisse und auch an meiner Persönlichkeit. Doch habe ich ja anfangs gefragt, warum es mir plötzlich wichtig ist, dass es eine feministische Bewegung gibt und warum ich plötzlich an meinem eigenen Leben spüre, dass es dort noch viel zu tun gibt. Denn es ist nicht leicht in einer von weißen Männern gedachten Welt, diesen eben von mir beschrieben Stolz bei sich zu behalten und mit sich zu tragen. Ich kann nicht behaupten, dass ich seitdem ich Kinder habe, wirklich wieder in die „normale Welt“ zurückgekehrt bin, dafür waren die Schwangerschaften zu dicht und das zweite Kind ist noch zu klein. Doch verspüre ich erneut den Willen, an Stärke zu gewinnen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, unabhängig zu sein. Wenn nicht nur für mich, dann auch für meine beiden kleinen Töchter. Ich will, dass sie niemals bei einem sexistischen Spruch nett kichern, weil der alte Herr das ja vielleicht nett gemeint haben könnte. Ich möchte nicht, dass sie benachteiligt werden, weil sie weiblich sind. Ich möchte, dass sie sich in Wort und Tat verteidigen können. Und da man jetzt schon merkt, wie sehr einen die Kleinen spiegeln, ist es umso wichtiger da weiter an mir zu arbeiten. Der Weg ist hart, aber dringend nötig.

Mimi


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